TEXTE AUS INDIEN
a) Den Himmel stützte der allweise Weltgeist, denn er hat die Erde vermessen. Als König thront er über allen Wesen, dem Gott Varuna gehört die ganze Welt. Lobsingen wir dem höchsten Gott Varuna, beten wir zu ihm den Weisen: Beschirme uns mit deiner Kraft, beschütze uns kleine Wesen. (Rigveda, 15. Jh.v.Ch. In: H. von Glasenapp: Indische Geisteswelt I, 19)
b) Er ist der große Lenker aller Welten, denn er sieht alles aus der Nähe. Glaubst du, ungesehen gehen zu können, der Gott sieht dich immer. Ob ein Lebewesen geht oder steht, ob es sich versteckt oder flüchtet, ob es in einer Gruppe läuft, der Gott Varuna sieht es immer. Dem Gott und König Varua gehören der Himmel und die Erde. (Atharvaveda. In: H. von Glasernapp: Indische Geisteswelt I, 25)
c)  Dem Gott Varuna gehören der Himmel und die Erde, bis zu den Grenzen des Sichtbaren. In den Meeren und in allen Wassern ist der große Gott zu finden. Auch wenn du in ferne Länder flüchtest, der Gott Varuna bleibt dein Beherrscher. Mit seinen tausend Augen sieht er alles auf der Erde. (Atharvaveda. In: H. Glasenapp: Indische Geisteswelt I, 25)

Denkimpulse
In den frühen Veden war Varuna der Schutzgott der arischen Krieger, und damit der Beherrscher von Himmel und Erde. Die Krieger wollten ihren Schutzgott im ganzen Land durchsetzen, doch die Bauern und Hirten blieben bei ihren alten Schutzgöttern. Sie waren für alle sozialen Schichten wichtig, denn bei ihnen wussten sich die Menschen geschützt und geborgen. Sie nahmen in Kauf, dass ihr Reden und Handeln immer von göttlichen Wesen kontrolliert wurde. Doch im Blick auf das Göttliche haben die Menschen die  moralischen Regeln des guten Zusammenlebens gelernt. Die vorgestellten Götter gaben den Menschen eine feste Orientierung und einen Sinn ihres Daseins.

WESTLICHE TEXTE
a) Nur weil Homer ein von Gott begeisterter Sänger war, konnte er so große Dichtungen schaffen. Denn etwas Schönes zu ersinnen, ist immer die Gabe des göttlichen Geistes. Die weisen Menschen fassen göttliche Gedanken. Athena ist die Göttin der Denkkraft, denn von ihr lernen wir, gut zu denken, zu reden, zu handeln. Nur diese Menschen sind der Gottheit teuer, denen das Unrecht zuwider ist. (Demokritos von Abdera, 4. Jh.v.Ch. In: W. Nestle: Die Vorsokratiker 171ff)
b) Die Götter gaben den Menschen alles Gute von alters her, doch das Böse und Schädliche gaben sie ihnen nicht. Aber durch die Verblendung ihres Geistes tun die Menschen das Böse und das Schädliche. Die Ursache des Bösen ist immer die Unkenntnis des Guten. Aber ein unmoralisches Leben ist wie ein langsames Absterben. Gleiche Gesinnung schafft unter den Menschen die Freundschaft (philia). Den weisen Menschen steht die ganze Welt offen, die Heimat einer edlen Seele ist die ganze Welt. (Demokritos von Abdera. In: W. Nestle: Die Vorsokratiker 174, 187)
c) Der Gott hat alle Menschen freigelassen, denn die Natur hat niemanden zum Sklaven gemacht... Die Philosophie kritisiert die von Menschen gemachten Gesetze und Bräuche. Was der Krieg zerstört hat, das muss der Friede wieder aufbauen. Die Odyssee des Homer ist ein Spiegel des menschlichen Lebens. (Alkidamas von Elea. 4. Jh.v.Ch. In: W. Nestle: Die Vorsokratiker 210)

Denkimpulse
Der Atomist Demokritos glaubte offensichtlich an die Macht und das Wirken des Göttlichen in der Welt und im Kosmos. Seine Einsichten empfängt der weise Mensch vom göttlichen Geist. Die Götter des Volkes sind nur Bilder und Symbole für die Gaben der Weisheit und der Gerechtigkeit. Von der Gottheit und der Natur her gibt es bei den Menschen keine Herren und keine Sklaven, das lehrte Alkidamas von Elea. Die Sklaverei ist eine böse Erfindung der Menschen, denn Gott schickt den Menschen Freiheit und Frieden, Liebe und Gerechtigkeit. Nur törichte Menschen rüsten zum Krieg und machen Besiegte zu Sklaven. Die kritische Philosophie sah sich daher  im Dienst des göttlichen Geistes.